Den "Buckligen" bringt nicht einmal das Grab in Ordnung
Obwohl der Moskwa-Fluss keine Stromschnellen hat, hätte der Saporoshez
965 in
Moskau angesiedelt werden und diese mit einem BMW-Motor durchpflügen
können.
Aber so ist er eben nur der "Bucklige" geworden, der übrigens am 25.
Oktober
2002 40 Jahre alt geworden ist.
"Buckliger", "Seifenkiste", "Verstopfung",
"Europapanzer" - wie nur hat man den kleinen buckligen Saporoshez nicht
alles genannt.
Angefangen hat die Geschichte des legendärsten sowjetischen Autos auf
allerhöchsten
Befehl - "Die Sowjetunion braucht einen Kleinwagen". Die weltbesten
Ingenieure
trumpften auf und begannen die Entwicklung eines neuen Autos.
Zum Jahr 1956 schafften sie es schon einige Versuchsmuster von Autos
mit kleinem
Hubraum und "Motorwagen" zu projektieren und zu erproben, obwohl deren
Bezeichnungen
"Belka" (Anm. des Übersetzers: russisch für Eichhörnchen), IMZ-A50,
NAMI-048,
NAMI-031, GAZ-18, MVTU kaum jemandem etwas sagten. Und genau zu dieser
Zeit entstand die Idee zur Schaffung des "Buckligen" im Kombine-Werk in
Saporoshe.
Die Projektierung, den Bau und die Überführung der Prototypen des neuen
Autos
übertrug man auf die gewaltigen Schultern des Moskauer Werkes für Autos
mit
geringem Hubraum (dem gleichen, das jetzt AZLK
heisst).
Die Arbeiten begannen im Herbst 1956.
Als Basis nahmen die "Moskwitschler" den italienischen FIAT-600, den
sie für
die sowjetischen Strassen als Besten betrachteten. Das erste
Versuchsmuster des
künftigen "Buckligen", das den Index 444 erhielt, wurde im Oktober 1957
fertiggestellt. Das Auto erinnerte stark an den italienischen "Papa",
aber im
Unterschied zu diesem (der FIAT-600 wurde durch einen 4-Zylindermotor
mit Wasserkühlung angetrieben) bewegte er sich mit Hilfe von nur zwei
Zylindern, die
sich innerhalb des "IRBIT"-Motors MD-65
versteckten.
Hauptnachteil dieses Motors war das stark vorgewölbte Gehäuse - genau
deswegen
musste man zur Vergrösserung der Bodenfreiheit an den Naben der
Hinterräder des
"Moskwitsch-444" (der Opa des "Verstopfers" hiess anfangs genau so)
Radgetriebe
anbringen. Ausserdem unterschied sich der erste "Bucklige" vom
italienischen Analogon durch die Form des hinteren Karosserieteiles und
die Ausführung der
Vorderfront, durch die vorgewölbte pfeilförmige Ausstanzung auf der
Tür, den
dekorativen Kamm vor dem hinteren Kotflügel und durch die vier
Luftaufnahmeöffnungen
auf dem hinteren Kotflügel. Interessant ist übrigens, dass das Auto
schon zu diesem
Zeitpunkt eine gegenseitig austauschbare Front- und Heckscheibe hatte.
Allerdings
hat das dem "Buckligen" nicht geholfen. Das Muster hatte nicht gefallen
und wurde
zur Überarbeitung geschickt. 1958 schuf das MZMA
eine neue
Version des Kleinwagens, der "Moskwitsch-650" genannt wurde, mit
veränderten
Ausführungselementen: der vordere Kotflügel hatte ein höheres Oberteil,
die
Kühlerverkleidung war anders. Vom 444-er verblieb die vordere
Aufhängung auf
querliegender Feder und die seitlich verschiebbaren Fensterscheiben.
Den
Motorradmotor MD-65 erkannte man als völlig ungeeignet für ein Auto.
Deshalb
begannen die Ingenieure zuerst im MZMA, danach
auch im NAMI speziell für den zukünftigen
Saporoshez ein neues Herz
zu entwickeln. Interessant ist übrigens, dass zur allerhöchsten
Präsentation der
neue Zweizylinder-Boxer-Motor gerade erst den Versuchsstand durchlief,
weswegen man
den "Buckligen" mit einem Motor des BMW-600 versah. Allerdings erlitt
der 650-er
trotz des BMW-Herzens das gleiche Schicksal wie der 444-er und wurde
1958 zur
Vervollkommnung zum MZMA zurückgeschickt.
1959 erschienenneue Versuchsmuster des künftigen Saporoshez. Er hatte
schon
keine seitlich verschiebbaren Fenster mehr, es verschwanden die
pfeilförmige
Ausstanzung und der Kamm, die Rücklichter erhielten Rückstrahler nicht
im
mittleren, sondern im unteren Teil, die Standlichter wurden in eigenen
Gehäusen
auf den Kotflügeln angebracht. Etwas später erschienen die "Buckligen
mit geänderten
vorderen Kotflügeln und Ausstanzungen auf der Vorderfront - die
Standlichter
kamen zurück auf die Vorderkotflügel und auf dem Vorderteil
(Kofferraumklappe) erschienen
das Emblem "SAS" und die Aufschrift "Saporoshez".
Im Juni 1959 wurden im NAMI zwei Vierzylindermotoren SAS-965
hergestellt. Der erste (SAS-965G) hatte eine Boxeranordnung der
Zylinder und hatte
750ccm Hubraum, der zweite (740ccm;SAS-965V) war ein V-Motor. Nach
Leistungskennziffern waren beide Motoren gleichwertig, aber der "G"
erschien den
Entwicklern besser. Er wurde angenommen.
Am 25.Oktober 1960 ging der erste SAS-965 vom Fliessband und schon am
22.November
wurde die Montage der ersten Serie des "Saporoshez" abgeschlossen, die
sofort an
die Verkäufer ging. Er kostete übrigens 1200 vollgewichtige sowjetische
Rubel
und wurde bis 1969 hergestellt. Neun Jahre mit einem Buckel laufen ist
nicht gerade wenig.
Alexander Nowikow
Anmerkungen des Übersetzers:
"Verstopfung" - event. bessere Übersetzung:
Verschluss
IRBIT - ein in den 50-er Jahren in Moskau hergestelltes
Motorrad
AZLK - Autowerk des Leninschen Komsomol (Nachfolger des
MZMA)
MZMA - Moskauer Werk für kleinlitrige Autos
NAMI - Forschungsinstitut der Automobilindustrie
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