Ein Saporoshez in Deutschland - und kein
Ende !
Meine Frau und ich, beide 1947 geboren, gehören zur
Nachkriegsgeneration
in Deutschland und wuchsen in der DDR auf. Mit 22 Jahren heirateten wir
und wie jedes junge Paar machten wir Pläne für unsere gemeinsame
Zukunft. Unser Sohn kam im nachfolgenden Jahr zur Welt, da war zuerst
natürlich das Wichtigste, sich um eine Wohnung zu kümmern. Ein Umzug in
einen weit entfernten Ort war nötig, weil uns dort ein Betrieb eine
Wohnung mit nicht allzu langer Wartezeit bot. Wir traten bald unsere
neue Arbeit an und konnten kurz darauf auch unsere erste neue Wohnung
beziehen.
1970 war es für junge Leute mehr Traum als Realität, ein eigenes Auto
zu besitzen. Meine Frau verdiente als Stahlbauingenieur monatlich netto
etwa 600 DDR-Mark, ich als Elektromaschinenbauer kam auf etwa 500
DDR-Mark.
Miete bezahlten wir damals etwa 50 DDR-Mark, geheizt wurde mit
Kohle-Briketts.
Trotz des bescheidenen Verdienstes sparten wir also nun fleißig auf ein
Auto und konnten uns dann im Sommer 1972 einen 11 Jahre alten “Trabant”
kaufen, der die stolze Summe von etwa 5000 DDR-Mark kostete.
Ich hatte keine Ahnung von Fahrzeugtechnik, Ersatzteile waren schlecht
zu bekommen, in den wenigen Werkstätten mußte man um Termine und
Reparatur betteln, ohne “Beziehungen” ging nichts.
Also versuchte man irgendwie, möglichst alles selbst zu machen und sich
unter Kollegen und Freunden gegenseitig dabei zu helfen.
Für mich war das eine gute Lehre, trotz aller Probleme lernte man die
Unabhängigkeit von unzuverlässigen und teuren Werkstätten sehr zu
schätzen, so daß ich heute noch fast alle Wartungen und Reparaturen
selbst mache.
Ein neues Auto mußte damals vorbestellt werden und man hatte viele
Jahre Zeit, währenddessen das Geld dafür zu sparen.
In den 70er Jahren betrugen die Wartezeiten/Preis für
- “Trabant” etwa 10
Jahre/10000-12000 DDR-Mark
- “Wartburg”
12
Jahre/17000-20000
- “Moskwitsch”
7-8 Jahre/14000-18000
- “Shiguli/Lada” 7 - 12
Jahre(oder länger)/18000-23000
- “Saporoshez” je nach dem 1
- 5 Jahre/11000-12000.............
Nach ein paar jahren ungeduldigen Wartens auf einen neuen “Trabant”
hatten wir soviel gespart, dass mit dem Verkaufspreis unseres alten
“Trabant” zusammen, ein fabrikneuer Saporoshez in Aussicht genommen
werden konnte.
Da ich, wie die meisten Leute damals,vom Saporoshez nicht sehr
begeistert war, gingen die Diskussionen in Familie und Bekanntenkreis
hin und her, weil dieses Auto mit den fantasievollsten
Negativprädikaten wie “Taigatrommel”, “T34 deluxe” oder “Breshnews
letzte Rache” versehen war.
Ein guter Bekannter, der als KFZ-Mechaniker mir als perfekter
“Lehrmeister” vieles aus der KFZ-Technik praktisch beigebracht hatte,
sprach dann das entscheidende Wort indem er sagte:
“Was willst Du? Das ist ein Auto,wie jedes andere auch! Und
irgendwelche Macken haben sie alle! Man muss halt immer was daran tun!”
Nun gut, wir bestellten also um und ein Jahr später, im März
1977,bekamen wir die Nachricht vom staatlichen Autohandel, dass unser
Saporoshez 968A für uns bereitstünde.
Die Aufregung war groß und zum Abholtermin fuhren wir mit der Bahn ohne
Rückfahrkarte, voller Erwartung, zum Autohandel in das etwas weiter
entfernte Brandenburg.
Irgendwas wählen konnten wir nicht. Der Verkäufer führte uns zu einem
quittegelben SAS968A, dessen Originalfarbe sich dann als “banana”
herausstellte und meinte: ”Das ist
Ihr Auto!”
Wir also alles angeschaut, erster Start zu Probefahrt, alles wunderbar,
Formalitäten erledigt und runter vom Autohof, die neue automobile
Freiheit konnte beginnen!
Das Schalten ging anfangs nicht so gut, weil ich mich erst noch an die
umgekehrte, russische Schaltkulisse gewöhnen mußte. Aber sonst kamen
wir stolz und ohne Zwischenfälle zu Hause an. Die nächsten Tage
vergingen damit, alles auszuprobieren und zu prüfen. Ölstand
kontrollieren, Zündung präzise einstellen, Luftdruck, Radlagerspiel
überprüfen etc. - denn zwei Wochen später war ein Urlaub mit dem Auto
geplant.
Ein paar Tage vor diesem Urlaub machte das Auto plötzlich Geräusche
irgendwo vorn an der Vorderachse. Panik!....Was ist das?
Die linke Bremstrommel wurde heiß! Garantie? Werkstatt? Nein,dauert zu
lange, Urlaub in Gefahr!
Also, “selbst ist der Mann”!
Das linke innere Radlager war defekt, ein neues mußte her!
Trotz intensivster Bemühungen war in so kurzer Zeit keines zu bekommen!
2-3 Tage vor Urlaubsbeginn konnte ich mir ein altes, gebrauchtes, aber
noch funktionsfähiges Lager von einem anderen Saporoshez-Besitzer
ausleihen. Dieses erfüllte dann zum Glück seine Arbeit, bis ich, Wochen
nach dem Urlaub, ein neues Lager bekommen konnte.
So begann 1977 meine, inzwischen zur kleinen Leidenschaft und zum Hobby
gewordene, Saporoshez- Beziehung, obwohl es keine “Liebe auf den ersten
Blick” war!
Als Saporoshez-Besitzer hatte man es, wegen des (unbegründet)
schlechten Images, nie sehr leicht. Trotzdem habe ich im Laufe der Zeit
gute Erfahrungen gemacht, mein “Lehrmeister” hatte damals Recht!
Unser Saporoshez hat uns bis heute treu begleitet, ist inzwischen zu
einem seltenen Oldtimer geworden, befindet sich sozusagen im
wohlverdienten Ruhestand und wird nur noch im Sommer, bei gutem Wetter
bewegt.
Ende der 80er Jahre führte ich einen kompletten Neuaufbau durch, wobei
das Auto komplett zerlegt, Motor überholt usw.,Karosse neu geschweißt
und letztlich neu gespritzt wurde. Das war ein halbes Jahr intensive
Arbeit.
Leider hatte mein Sohn kurz darauf einen Unfall mit mehrmaligem
Überschlag. Dass dem Sohn nichts passierte, war dabei das gute
Ergebnis. Das weniger Gute daran allerdings war ein Totalschaden des
gerade wieder neu instand gesetzten Autos.
Im folgenden halben Jahr konnte ich von einer Karosserie-Werkstatt eine
neu aufgebaute
968M-Karosse erwerben mit der ich dann aus den Resten meines 968A
wieder mit viel Arbeit meinen heutigen Saporoshez aufbaute.
Und so geht eben meine persönliche Saporoshez-Geschichte weiter.........