Ein Interview mit
Karl-Ulrich Schultz in der Leipziger Volkszeitung vom 31.03.2005
zum Thema Saporoshez.
Herr Schultz hat
zusammen mit Christian Martak die Saporoshez-Treffen in Ruhland
organisiert. Sein Autohaus
Schultz war der Treffpunkt der
Saporoshez-Fahrer, hier wurden auch viele der Fotos von den Treffen
2003 und 2004 aufgenommen. An dieser Stelle nochmals vielen Dank für
das Treffen!
© Leipziger
Volkszeitung vom Donnerstag, 31. März 2005, Autor: Kai Stolle
Rummel um
die Taigatrommel
Leipzig. Es war einmal ein kleines
Auto, das Saporoshez hieß. Das
kleine Auto kam aus dem großen Bruderland Sowjetunion und war einst
neben Trabant, Wartburg oder Lada auf den DDR-Straßen daheim. Und bald
ist es im Verkehrsmuseum Dresden zu bewundern. Auch diese Zeitung
berichtete von der neuen Attraktion und davon, dass die Sapos auch
Stalins letzte Rache genannt wurden.
Dies führte zu einer Leserpost-Lawine:
Das Auto war Chruschtschows
letzte Rache. Nein, Taigatrommel und Soljankaschüssel seien die wahren
Namen.
Zeit also, dass ein Experte Licht ins
Dunkel bringt. Aber das Urteil
von Klaus-Ulrich Schultz - einst Chef einer Saporoshez-Werkstatt und
heute Organisator von Fan-Treffen - ist salomonisch: Den einzig wahren
Spitznamen gibt es nicht, sondern viele Bezeichnungen. Und hier mischen
sich Dichtung und Wahrheit. So habe immerhin Stalin selbst den Bau des
Autos befohlen. Er verlangte einen simplen Kleinwagen für
Kriegsversehrte. Die Fabrik sollte aus deutschen Reparationsleistungen
gebaut werden.
Da diese Fakten zu DDR-Zeiten aber
kaum bekannt waren, haben sie wohl
nichts mit dem Spitznamen Stalins letzte Rache zu tun, sagt Schultz.
Dieser entsprang eher der Phantasie der Fahrer. So wie Taigatrommel.
Denn gebaut wurde das Auto mitnichten in der Taiga, sondern im
ukrainischen Saporoshe. Chruschtschows letzte Rache ist zumindest
dahingehend berechtigt, dass der Wagen unter Stalin nicht aus dem
ersten Entwicklungsstadium herauskam. Erst unter Chruschtschow, im
Oktober 1960, lief der erste Saporoshez vom Band.
Dass der Sapo überhaupt so viele Namen
hatte, erklärt Schultz mit der
"Hassliebe" seiner Besitzer. Denn freiwillig fuhr ihn kaum jemand. Der
Saporoshez wurde ab Mitte der sechziger Jahren von der DDR importiert:
Zunächst der SAS 965A, später auch die 966- und 968-Modelle, die sich
in ihrer kastenförmigen Karosserie völlig vom Vorgänger unterschieden.
Es gab den Sapo fast ohne Wartezeit und der Preis lag unter dem des
Trabant.
Aber was hat man dem armen Auto nicht
alles vorgeworfen. Er ist zu
laut! Damals völlig normal für ein Auto mit Heckmotor, man denke nur an
den VW Käfer, erwidert Schultz. Er ist schlecht verarbeitet! "Russisch
eben", meint Schultz. Er rostet! Der Rostschutz war für damalige
Verhältnisse vorbildlich, so Schultz, der sich davon im ukrainischen
Werk überzeugen konnte. Doch das Auto hatte auch Freunde. LPG-Bauern
zum Beispiel. Der Wagen war geländegängig; selbst überschwemmte Felder
machten dem robusten Ukrainer nichts aus. Und er zog mit seinen bis zu
41 PS schneller an als der Trabi.
Dafür sprangen regelmäßig nach 10 000
Kilometern die Kerzen raus,
erinnert sich Schultz. Und dann war da die Sicherheitslenksäule beim
SAS 968A. Diese hatte eine Sollknick-Stelle, damit sich der Fahrer bei
einem Unfall nicht am Lenkrad verletzt. Leider knickte die
Sollknick-Stelle auch wenn sie nicht sollte. Der Fahrer konnte dann
zwar weiter am Lenkrad drehen, die Räder reagierten aber nicht mehr.
Bemerkenswert auch, was 1971 im Testbericht der Zeitschrift
"Straßenverkehr" über den SAS 966 zu lesen war: "Der für einen
Kleinwagen anfangs extrem große Wendekreis erwies sich bei näherer
Prüfung als Nachlässigkeit in der Montage. Die Anschlagschrauben der
Lenkhebel waren nicht entsprechend dem maximal möglichen Radeinschlag
eingestellt."
Das Auto - übrigens auch in Belgien
ein Bestseller - wurde bis Anfang
der achtziger Jahre in der DDR verkauft. Aber noch immer sind einige
Sapos unterwegs. Und im Herbst will Schultz, heute Chef eines
Toyota-Autohauses im brandenburgischen Ruhland, wieder zum Fan-Treffen
nach Dresden laden. Auch einige Wessis werden kommen, erzählt er. Die
meisten Westdeutschen verwechseln den SAS 965A aber mit einem Fiat.
Kein Wunder, nahmen sich die Sapo-Designer doch wirklich den Fiat 600
zum Vorbild. Im Osten hieß das Auto deshalb auch Volks-Fiatowitsch ...